In der Bodenseeregion gibt es enormes Potenzial für eine bio-regionale Verpflegung. Allerdings gibt es auch viele Hürden, wie etwa logistische Herausforderungen, unzureichende Verfügbarkeit bestimmter Produktgruppen und teilweise hohe Produktionskosten. Das EIP-Projekt „35 % BioRegio Außer-Haus“ möchte mit den folgenden Modellprojekten diese Lücke an Herausforderungen schließen und hat entsprechende regional angepasste Konzepte entwickelt. Sofern einzelne Konzepte synergetisch verknüpft werden, könnte die Bodenseeregion mit ihrem hohen Potenzial zum Leuchtturm für bio-regionale Verpflegungsangebote werden.
Das regionale Kooperationsnetzwerk für bio-regionale Lebensmittel am Bodensee zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen landwirtschaftlichen Bio-Erzeugerbetrieben und Außer-Haus-Verpflegungsbetrieben zu stärken. Es fördert die direkte Kooperation, eine verbesserte Logistik und eine nachhaltige Preisgestaltung. Zielgruppen sind Bio-Landwirt*innen, Logistiker*innen, sowie Großküchen, Mensen und Kantinen, die ihren Anteil an regionalen Bio-Produkten erhöhen möchten.
Durch die Bündelung von Produkten, eine effiziente Logistik und langfristige Abnahmeverträge wird die Wirtschaftlichkeit beider Seiten verbessert. Das Netzwerk ermöglicht eine bessere Planung der Anbauflächen und eine Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Es schafft ein verlässliches System, das die Qualitätssicherung und die Zusammenarbeit mit Verarbeitungsbetrieben fördert. Regelmäßige Treffen bieten Raum für Austausch, Optimierung und die Lösung von Herausforderungen wie Ernteausfällen oder überschüssiger Ware.
Das Kooperationsnetzwerk setzt auf eine rechtssichere Struktur, langfristige Partnerschaften und individuelle Vertragsgestaltung, um eine nachhaltige und wirtschaftlich sinnvolle Versorgung mit bio-regionalen Lebensmitteln zu gewährleisten.
Die AHV-gerechte Vorverarbeitung von Bio-Gemüse in der Bodenseeregion ist derzeit nicht vorhanden. Überregionale Unternehmen, wie Adam Theis GmbH oder Pentz GmbH, decken den größeren Bedarf, jedoch mit langen Transportwegen. Der Bedarf an lokal verarbeiteten Bio-Gemüsen ist in der Region noch gering, was auf eine fehlende Nachfrage von Seiten der AHV zurückzuführen ist.
Die Zielsetzung ist, einen regionalen Vorverarbeitungsbetrieb aufzubauen, der Dienstleistungen wie Waschen, Schneiden, Schälen, Vakuumieren und Verpacken anbietet. Ein zusätzlicher Fokus liegt auf der Reduzierung von Lebensmittelabfällen durch die Verarbeitung von Gemüseresten zu Pulvern oder Bouillons. Durch die Zusammenarbeit innerhalb eines Kooperationsnetzwerks könnten die Anforderungen der AHV an vorverarbeitetes Bio-Gemüse besser gedeckt werden. Besonders gefragt sind FreshCut-Produkte, die 43 % des Gemüseverbrauchs in Kantinen ausmachen (DHBW, 2024). Ein integriertes Konzept zur Resteverwertung und die Möglichkeit zur Tiefkühlung oder Trocknung von Gemüse könnten zudem zur Kostenoptimierung und Reduzierung von Abfällen beitragen.
Zielgruppen für den Vorverarbeitungsbetrieb sind die regionalen Bio-Erzeuger, das Kooperationsnetzwerk sowie AHV-Betriebe, die frische Lebensmittel nicht selbst verarbeiten können oder wollen.
Ein zentrales Hindernis bei der Steigerung des Bio-Anteils in der Gemeinschaftsverpflegung ist der Fachkräftemangel und das fehlende Wissen im Umgang mit frischen Lebensmitteln, Saisonalität, Gemüsevielfalt und B-Ware.
Viele Ausbildungsprogramme behandeln veraltete Ernährungsweisen und lassen frische, pflanzenbasierte Gerichte sowie den Einsatz von Bio-Produkten außen vor. Im Rahmen des BioRegio-Projekts wurden erste Impulse gestartet, um Bildungsangebote zu schaffen, die Fachkräften das nötige Wissen für die Verarbeitung biologischer und regionaler Lebensmittel vermitteln. Durch einen Praxisworkshop und den Austausch mit Best-Practice-Betrieben konnte das Bewusstsein für mehr Bio und nachhaltige Produktionsweisen gestärkt werden. Ein regelmäßiges Bildungsangebot, dass die Fachkräfte motiviert und befähigt, in der Praxis mehr BioRegio umzusetzen, bietet einen enormen Mehrwert in der Umsetzung von BioRegio. Dies umfasst unter anderem Kurse zu gesellschaftlichen Mehrwerten von Bio-Produkten, Saisonalität, der Reduktion von Lebensmittelverschwendung und der richtigen Kommunikation in der Küche.
Die Zielgruppen sind vor allem Auszubildende im Bereich Gastronomie, Hauswirtschaft und Ernährung sowie Fachkräfte in der AHV, die sich für eine nachhaltigere Verpflegung engagieren möchten.
Im Rahmen des Projekts wurde ein großer Bedarf an Kommunikationsstrategien für mehr BioRegio in der AHV festgestellt. Besonders in Kantinen und kommunalen Einrichtungen bestehen Wissenslücken zu den gesellschaftlichen Mehrwerten von biologischen Lebensmitteln, zur Glaubwürdigkeit der Bio-Zertifizierung oder dem Umgang im Speiseplan. Gespräche und Workshops zeigten, dass eine effektive Kommunikation über BioRegio sowohl die Entscheidungsträger*innen als auch das Küchenpersonal und die Endkonsumentinnen erreichen muss.
Die Entwicklung eines praxisorientierten Leitfadens zur Kommunikation von BioRegio wird eine Anleitung zum Aufbau einer Kommunikationsstrategie enthalten sowie fundierte Argumente für die Vorteile von biologischen und regionalen Lebensmitteln enthalten. Er soll den Akteur*innen in der AHV helfen, häufig gestellte und kritische Fragen zu beantworten, Unsicherheiten abzubauen und die wissenschaftlichen Grundlagen zu Nachhaltigkeit, Ernährung und BioRegio zielgruppenorientiert zu vermitteln.
So erhalten Entscheidungsträgerinnen in Kommunen und AHV-Betrieben ebenso wie Marketingbeauftragte, Küchenpersonal und Konsument*innen konkrete Unterstützung, um die Vorteile von BioRegio-Produkten klar und überzeugend zu kommunizieren. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der Motivation der Beteiligten, um das Verständnis für die Bedeutung von BioRegio-Produkten zu fördern und langfristig die Akzeptanz in der Gemeinschaftsverpflegung zu steigern.
In vielen Großküchen und Betrieben der AHV dominieren vorgefertigte Produkte, Tiefkühlgemüse und Fertiggerichte, was frische und gesunde Kost zur Ausnahme macht. Dies führt nicht nur zu einer Distanz zwischen Produktion und Konsum, sondern auch zu einem Beitrag zur Fehlernährung. Die AHV hat oft wenig Spielraum, um aus den Großhandelsstrukturen auszubrechen, und viele Küchen sind personell und räumlich nicht in der Lage, frische Lebensmittel zu verarbeiten. Zudem fehlt es oft an Wissen, um frisches Gemüse schmackhaft und abwechslungsreich zuzubereiten.
Das Konzept der Frischeküche bietet ein großes Potenzial für einen höheren regionalen Absatz von Bio-Lebensmitteln und eine nachhaltige Wertschöpfung. Best-Practice-Beispiele aus verschiedenen Regionen, wie das „Schullokal“ in Vorarlberg oder die Konradihausküche in Konstanz, zeigen, dass die Verarbeitung von bio-regionalen Lebensmitteln durch handwerkliches Kochen und Flexibilität problemlos in die Küchenpraxis integriert werden kann. So können z. B. preisgünstige Zutaten wie Linsen oder Karotten in klassischen Gerichten eingesetzt werden, oder auch B-Ware oder saisonale Produkten vermehrt Einsatz finden.
Ein Wechsel hin zu einer Frischeküche ist jedoch ein komplexer Prozess, der große strukturelle Veränderungen in den Arbeitsabläufen fordert. Zielgruppen für dieses Konzept sind vor allem Entscheidungsträger in Kommunen, Städten und Landkreisen, welche die nachhaltige Verpflegung aktiv fördern möchten, ebenso wie umstellungsinteressierte Küchen.
In der Bodenseeregion sind bereits verschiedene Plattformen und Apps zur Vernetzung von Bio-Betrieben aktiv, wie „Gutes vom See“, „BioBodensee“, „WIR-Bodensee“ und „ECHT Bodensee“. Diese richten sich hauptsächlich an private Konsumenten. Für die AHV gibt es noch keine ausgereifte Lösung zur Bündelung von regionalem Bio-Gemüse und -Produkten. Die Plattform „nearbuy“ bietet jedoch bereits einige Funktionen zur Unterstützung der regionalen Kooperation, darunter die Möglichkeit zur Anzeige von Produktkategorien und die direkte Kontaktaufnahme zwischen Betrieben und AHV-Betrieben.
Die Zielsetzung ist, eine Vernetzungs- & Handelsplattform in der Region zu etablieren, die sämtliche Akteure vereint und eine vereinfachte und direkte Kooperation zwischen Erzeugern, Verarbeitern, Logistikern und AHV-Betrieben ermöglichen. Besonders für kleinere AHV-Betriebe und Gastronomiebetriebe könnte die Bündelung von Produkten und die Möglichkeit zur direkten Bestellung von regionalen Bio-Waren eine erhebliche Erleichterung darstellen.
Für landwirtschaftliche Erzeuger und Verarbeiter bietet die Plattform die Möglichkeit, ihre Produkte zu präsentieren, während größere AHV-Betriebe regionale Produkte und gebündelte Ware einsehen und Kooperationen für Veranstaltungen oder Aktionstage finden können. Eine solche Plattform würde auch für den Handel und kleinere Betriebe im Bereich Gastronomie und Tourismus von Nutzen sein, indem sie ihnen hilft, mehr Transparenz hinsichtlich der Herkunft der Lebensmittel zu erhalten.
Der Ausbau regionaler und biologischer Lebensmittel in Großküchen und Kantinen steht vor einer Reihe komplexer Herausforderungen. Das Projekt BioRegio ist diesen in vielen Gesprächsrunden, Exkursionen und weiteren partizipativen Aktionen gemeinsam mit der gesamten Wertschöpfungskette auf den Grund gegangen. Der starke Preisdruck, die hohe Arbeitsbelastung und der einzelbetriebliche Verwaltungsaufwand sowohl auf der Seite der Kantinen als auch in der Erzeugung erschweren die Integration von biologischen und regionalen Produkten in den Speiseplänen. Zudem fehlt es häufig an einer effektiven Vernetzung von Angebot, Nachfrage und qualifizierter Logistik, was die Beschaffung und Distribution der Produkte erschwert. Die Organisation der individuellen Abwicklung eines Bestellprozesses im B2B-Bereich zwischen einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben und einer Großküche stellt eine besondere Herausforderung dar, weil Küchenbetriebe selten über die hierfür benötigten Personal- und Lagerungskapazitäten verfügen.
Die Vorverarbeitung und Bündelung von Produkten spielen eine entscheidende Rolle, um die Beschaffung zu erleichtern und die Kosten zu senken. Auf der regionalen Handlungsebene ist die Vorverarbeitung und Bündelung von Bio-Gemüse im Bodenseeraum nicht ausreichend organisiert. Hinzu kommt, dass Ausschreibungsverfahren für öffentliche Kantinen und Großküchen oftmals Restriktionen enthalten, die den flexiblen Einsatz von Bio- und Regionalwaren verhindern. Verstärkt wird dies durch die mangelnde Flexibilität im Speiseplan und unzureichende Kapazitäten in den Bestell- und Lieferprozessen auf beiden Seiten.
Ein weiteres Problem ist die fehlende Darstellung und Vermittlung des gesellschaftlichen Mehrwerts von BioRegio-Produkten, was zu einem unzureichenden Bewusstsein bei den Verantwortlichen der Küchen und höher gestellten Entscheidungsträger*innen der Kommunen führt. Der Mangel an Fachkräften und das teilweise „verlernte“ Kochhandwerk in vielen Küchen verschärfen die Situation zusätzlich. Nötig wäre dies beispielsweise für die entsprechende Umgestaltung der Rezepte und den Umgang mit saisonalen Produkten. Auch die Fachkompetenz für angepasste Preiskalkulationen, insbesondere bei Mischkalkulationen für Bio-Produkte, ist in vielen Fällen nicht vorhanden oder wird aufgrund von Personalmangel und Zeitdruck nicht berücksichtigt. Ein weiterer kritischer Punkt ist die Absicherung von Angebot und Menge durch vertragssichere Kooperationen. Die saisonale Anpassung der Speisepläne stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, da Qualität und Verfügbarkeit von regionalen Produkten starken Schwankungen unterliegen können. Schließlich gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Homogenität der Produktqualität, was die Einhaltung von Standards, die Kalkulation der Arbeitszeit pro Gericht und die Zufriedenheit der Kantinenbesucher*innen betrifft.
Um diese Herausforderungen zu meistern, sind innovative Lösungen und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Erzeuger- bzw. Lieferbetrieben und den Küchen notwendig.